Der Melkstuhl - Die Geschichte

Melkstühle gibt es wahrscheinlich schon seit der Mensch die Kuh als Haus- und Nutztier gezähmt hat. Es gab und gibt sie noch heute in verschiedenen Formen und Ausführungen (Brett mit Ast als Fuss, 3-Beinig, gedrechselt und aus Metall und Kunststoff.

Schon als „Schulbub“ hat Fritz Matter (mein Vater) das Drechslerhandwerk fasziniert. Er war, wann immer er Zeit finden konnte, in einer benachbarten Kellerwerkstatt und schaute dem dortigen Drechsler über die Schulter, wo dieser auf einem „Holzbock mit Fusspedal“ verschiedene Gebrauchsgegenstände für Haushalt und Landwirtschaft herstellte. Auf einer selbst konstruierten Drehbank versuchte er es selbst und stellte so die ersten „Matter - Melkstühle“ her.  Dieser hat er in der Folge immer verfeinert und „weiterentwickelt“, wodurch die jetzige Form entstand, dessen Sitz nicht rund, sondern vorne abgeschnitten ist, damit das „Milchmälchterli“ beim Melken besser mit den Knien festgehalten werden kann und nicht am Melkstuhlrand anstösst.

Bis zu seinem Tod im Jahr 2004 hat mein Vater etliche tausend dieser Melkstühle hergestellt; sei es zu ihrem ursprünglichen Verwendungszweck, zum jäten im Garten, zum Fischen oder als Souvenirs.

Auch ich habe schon während meiner Schulzeit  oft meinem Vater zugeschaut und durfte schon damals selbst die ersten Versuche und Erfahrungen an der Drehbank sammeln (die „Holzige“ war inzwischen durch eine stabilere aus Gusseisen ersetzt worden) und habe auch schon damals meine ersten Melkstühle gedreht. Durch  eine Lehre als Möbelschreiner, diversen berufsbegleitenden Weiterbildungen, Familie und Sport nahm ich mir lange keine Zeit mehr für die Drechslerei.

Mit der Übernahme des Elternhauses im Mai 2010 kam ich auch in den Besitz der alten Drehbank, und habe diese in der Zwischenzeit zu neuem Leben erweckt. Meine Melkstühle stelle ich ausschliesslich aus einheimischem Laubholz (vorwiegend Ahorn) her und nicht selten weiss ich auch, wo der Baum, aus dessen Brett ich gerade einen Melkstuhl drehe, gestanden hat.

Neben Melkstühlen drehe ich auch diverse andere Gegenstände wie Kerzenständer, Schalen und Teller, aber auch Drehteile für Möbel, Werkzeuge und Bau. Auch hierzu verwende ich ausschliesslich einheimisches Laubholz wie Ahorn, Apfel-, Birnbaum, Buche, Eiche, Esche, Kirsch-, Nussbaum und Zwetschge, aber auch Nadelhölzer wie Fichte, Föhre und Eibe werden verarbeitet.

Dank einer Spitzenweite von 1700mm und einer Spitzenhöhe von 300mm ist es mir möglich, sowohl recht grosse, wie auch sehr kleine Arbeiten auszuführen (Pfeffermühlen bis 1000 mm oder Ohr Plugs ab 10 mm).

Die wohl älteste Drechslerregel besagt, dass sich alles drechseln lässt, was eingespannt werden kann oder anders gesagt, der Drechsler kennt keine Drechslerprobleme, nur Spannprobleme! Alle Dreharbeiten sind Einzelstücke und können sowohl in der Farbe als auch in der Form Unterschiede aufweisen.

Ruedi Matter